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Ich scheiß‘ auf Euer Danke

Zwei Frauen im Krankenbett. Die eine zur anderen: „Oh Gott, Sie sehen aber heute verdammt schlecht aus. Soll ich nicht doch eben der Krankenschwester klingeln?“ – Die andere zur einen: „Ich bin die Krankenschwester“. 

Dass sich die Welt in ein paar Monaten weiterdreht wie bisher, ist ziemlich sicher, alles andere nicht mehr. So schnell kann’s gehen: Alle Sicherheiten sind den Bach runter, aber noch glaubt das kaum jemand. Es wird ein paar Millionen ArbeitslosInnen mehr geben als bisher, ja, überwiegend Frauen, und ein paar weitere Millionen rutschen ins Elend. Da und dort winkt ein Aufstand, hier grüßen Revolten, Unruhen. Die Polizei sorgt für Sicherheit und Ordnung, der Einsatz der Bundeswehr nicht nur in Afrika, sondern auch im Inneren wird bejubelt wie der Sandsäckebau bei der Oderflut. Parlamente und parlamentarische Regeln werden vom Tisch gewischt wie die Krümel der Geburtstagstorte. Rien ne va plus. Widerstand ist sinnlos. Oder?

Der selbe Staat, die gleichen Parteien, Medien und Meinungsmacher, die vorgestern HartzIV erfanden, Banken, Establishment und Demokratie retteten, die gestern noch grübelten, ob man dreimarkfuffzig mehr geben könnte für die Kinder der armen Ärsche, pfeifen heute auf jedwede Haushaltsführung: 5 Milliarden oder 50 oder 500 – alles kein Thema, alles ohne Quittung.

Als in den letzten Jahren beispielsweise das Personal der Krankenhäuser immer wieder mal protestierte, ja gar reglementiert und vorsichtig rebellierte, auf die Straßen ging, da blieben die „Sozialen“ weitgehend allein, also unter sich, oft ohne Publikum auf den Plätzen, regelmäßig eher unbeachtet und unbegleitet von ihrer Kundschaft. Als Kindergärtner*innen oder Pfleger zusammenklappten, sich Ärzte krankmeldeten: Funkstille. Allenfalls ein Kommentar am Rande – so wie man einen alten Ackergaul tätschelt. Von Solidarität keine Spur, aber hin und wieder eines der großspurigen und allgemein gehaltenen Versprechen.

Jetzt musiziert das Land. Götterfunken von den Balkonen. Ganzseitige Danke-Anzeigen für’s schlecht bezahlte Personal. Und das OK der Mandateure für ein durchökonomisiertes Gesundheits- und Sozialsystem. Das braucht radikale Veränderungen. „Ich scheiß‘ auf Euer Danke“, sagt die Krankenschwester zu meiner Omi Glimbzsch in Zittau.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter. Das „Wettern der Woche” wird regelmäßig in der aus Stuttgart kommenden Online-Zeitung Kontext publiziert.

Freundlich grüßt Ihr/Dein

peter-grohmann@die-anstifter.de